Die nächsten Stationen auf unserer Reise führten uns so weit südlich, wie man auf unserer Erde noch kommen kann, ohne auf den antarktischen Kontinent fahren zu müssen: Feuerland, Tierra del Fuego.
Dabei handelt es sich um eine große Hauptinsel, die man gut per Fähre erreichen kann und jeder Menge kleinerer Inseln, allesamt durch unzählige Kanäle und Meeresstraßen voneinander getrennt. Landschaftlich erinnern diese Fjorde an Norwegen, nur ist alles noch viel viel einsamer.
Unser erster Versuch nach Tierra del Fuego zu gelangen wurde leider vom Wetter vereitelt: Zu hohe Windgeschwindigkeiten machten die eigentlich sehr kurze Fährüberfahrt unmöglich. Weil man aber nie weiß wie sich das Wetter hier unten entwickelt, kann einem auch keiner vorhersagen, ob nicht doch in ein oder zwei Stunden was geht. Also sitzen wir in unserem Mietauto und stehen in der Schlange: Vor uns gut 50 Autos und hinter uns unzählige mehr. Nach ca. 5 h Warten entscheiden wir uns dann aber umzukehren und es am nächsten Tag nochmal zu versuchen.
Das Wetter hier in Patagonien gilt unter den Einheimischen als unvorhersehbar und Wetterberichte werden eigentlich nie angeschaut, weil es sich ständig ändert. Auch wir haben es ja erlebt: Gerade scheint noch die Sonne und einen Moment später schneit es (El Calafate). Oder die Winde im Torres del Paine und in El Chalten waren auch nicht von schlechten Eltern. Dass aber die Fähre wegen zu viel Wind nicht fährt, ist eher untypisch. Das wiederum stimmt uns hoffnungsvoll auf eine Überfahrt in den nächsten Tagen.
Wir fuhren also die 200 km in gut 2 Stunden zurück nach Punta Arenas, der nächsten Möglichkeit auf Internet und Übernachtung, um uns spontan für ein Hotel zu entscheiden und unserer ursprünglich gebuchten Unterkunft auf Feuerland abzusagen. Nach einer kurzen Nacht sind wir am nächsten Tag früh wieder in Richtung Fährhafen unterwegs und durften erfreut feststellen, dass der Wind nachgelassen hatte! So sehr haben wir uns noch nie über eine Fährfahrt gefreut!
Nach ca. 15 Minuten Fahrt ist man dann angekommen, am Ende der Welt. Soviel sei schonmal vorweggenommen: Das Ende der Welt erstreckt sich über ganz Feuerland und dann kommt Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt. Und da hat man nicht mehr das Gefühl als wäre man kurz vor der Antarkis, aber dazu später mehr...
Weil uns ja nun ein Tag fehlte, mussten wir den ganzen Weg bis nach Ushuaia in einem Ruck zurücklegen, aber nicht ohne einen Abstecher zu den Königspinguinen zu machen. Diese Tiere haben sich hier für ihre Verhältnisse recht weit nördlich angesiedelt und man kann sie sehr gut durch einen Sichtschutz (der schützt die Pinguine vor den Touristen) beobachten. Und wenn auch noch der Wind gut steht, hat man das Glück sie von vorn zu sehen, weil sie sich immer mit dem Rücken zum Wind stellen. Klar, dann bekommt man zwar den Nieselregen direkt ins Gesicht, aber das ist es allemal wert! Am tollsten finden wir die jungen Flauschigen, die so groß sind wie ihre Eltern, trotzdem noch intensiv nach Futter betteln und sich eigentlich nie bewegen!
Weiter gehts über Schotterstraßen, aber auch asphaltierte Wege zur Grenze zwischen Chile und Argentinien. Hier, bei der Ausreise aus Chile dürfen wir dann eine Stunde warten, nicht, weil es besonders voll wäre, nein, hier gibt es einen Beamten, der bestimmt deutsche Vorfahren hatte: Er ließt sich sehr genau unsere Dokumente vom Mietwagen durch und stellt dann fest, dass das Auto ein geleastes Fahrzeug ist. Soweit so gut. Die Erlaubnis, dass wir rüber nach Argentinien dürfen wurde von Europcar notariell beglaubigt, als Eigentümer ist darin die Bank festgehalten. Und genau das ist in seinen Augen falsch. Ist ja ein Auto von Europcar. Wir haben sein Problem bis zum Ende nicht wirklich verstanden, aber nachdem er bei Europcar telefonisch nach dem wohl fehlenden Dokument nachgefragt hat (es war auch noch gerade die Mittagspause beim Autoverleiher bis 15 Uhr abzuwarten) durften wir dann endlich weiter. Das ominöse Dokument hat der Beamte uns aber nicht gezeigt.
Also rein ins Auto und ab zur Einreise nach Argentinien. Das geht jetzt erstmal über eine Schotterstraße im Niemandsland, weil der Grenzübergang nach Argentinien echt erst so nach 10 Minuten Fahrt auftaucht. In der Zeit haben wir beschlossen den notariellen Zettel lieber nicht mehr zu zeigen. Und das hat anschließend auch immer gut geklappt, keiner hat ihn vermisst ;-)
Unterdessen klart der Himmel auf und wir erleben diese wunderschöne, einsame Natur bei Sonnenschein und Schäfchenwolken. Nach endlos vielen Schafen, flachen Weidelandschaften und zig Kilometern Fahrt erahnt man plötzlich schneebedeckte Gipfel am Horizont. Tolle Berge, gesäumt von Wald, der unberührt vor einem liegt. Zu Füßen an der Küste liegt Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt, okay, es gibt auf chilenischer Seite noch eine Ortschaft, die südlicher liegt, aber eben keine echte Stadt. Und Ushuaia mutet tatsächlich nicht mehr nach dem Ende der Welt an: Volle Straßen, die eigentlich nur aus Schlaglöchern oder schwer sichtbaren Bumpers bestehen, mit undurchsichtigen Verkehrsregeln, weil mal wieder alle Schilder fehlen, jeder Menge Touristen, die zu/von den Booten strömen, überteuerten Outdoorläden und Restaurants und jeder Menge Touri-Shops.
Unsere Unterkunft - ein nettes Bed-and-Breakfast - hatte gleich ein paar Tips parat, was man hier so außerhalb der Stadt machen kann. Somit ging es für uns am nächsten Tag gleich früh in den Tierra del Fuego Nationalpark. Hier wandert man ganz entspannt durch die wunderschöne Natur zu Füßen der Berge über viele kleine Wege vorbei an Lagunen oder der Meeresküste und beobachtet dabei Gänse, Falken, Möwen, Enten und jede Menge andere Vögel, die wir gar nicht alle benennen können. Auch Bieberdämme sind am Wegesrand zu finden und überall wird auf dieses niedliche Tierchen hingewiesen. Aber eigentlich ist der gar nicht so niedlich. Hier unten ist er sogar ein echtes Problem: Zu Zeiten der Siedler dachten sich ein paar schlaue, argentinische Militärs (darauf bestehen die Chilenen), dass man doch mit Bieberfell Geld machen könnte und wollten hier unten eine Farm errichten. Dazu brachte man 10 oder 25 (das wird unterschiedlich erzählt, weiß dann doch keiner soo genau) Bieberpärchen aus Canada mit und hoffte darauf, dass sie sich in Feuerland gut vermehren würden.
Doch leider kamen die Biebermützen zu schnell außer Mode und die Tiere wurden frei gelassen oder entkamen. Vermehrt haben sie sich durchaus gut, heute gibt es hunderttausende von ihnen. Sie zerstören unablässig Wald, überfluten ganze Landstriche mit ihren Dämmen und natürliche Feinde haben sie hier unten keine. Die Regierung versuchte eine Zeit lang die Tiere wieder einzufangen, doch kommt zum einen dazu, dass sich Argentinien und Chile Feuerland teilen und damit eine Kommunikation notwendig wird und zum anderen, dass es äußerst schwierig ist die dämmerunsaktiven, scheuen Tiere zu fangen. Und dann gibt es noch findige Menschen, die das System ausnutzen: Eine ursprüngliche Idee der Regierung war, für jeden Bieberschwanz Geld zu zahlen. Das sollte die Leute dazu animieren, die Tiere zu fangen. Aber was machen sie stattdessen? Sie züchten privat Bieber...muss man auch erstmal drauf kommen.
Ein kleines Highlight ist das südlichste Postoffice der Welt, direkt hier im Nationalpark. Wir haben dann auch gleich mal ein paar Postkarten geschrieben. Für jeden hat es allerdings nicht gereicht, dann wäre die Reisekasse leer gewesen, allein die Briefmarke nach Deutschland kostete 4 € ;-)
Den nächsten Tag haben wir dann in Ushuaia verbummelt, wie gesagt, kein Highlight und sind gemütlich durch die schöne Landschaft zurück in Richtung Festland gefahren. Man muss ja auch für die vielen Fotostopps reichlich Zeit einplanen :-)
Nach einer Übernachtung in Rio Grande ging es dann zurück zur argentinischen Ausreise, durchs Niemandsland zur chilenischen Einreise und da war er wieder, unser altbekannter Beamter. Glücklicherweise konnte er sich nicht an uns erinnern und hat einfach seine Stempel gemacht, so wie alle andern auch...
Auf unserer weiteren Fahrt durchs Niemandsland hätte es eigentlich gar nichts zu erzählen gegeben, wäre nicht auf einmal dieses "flatsch-flatsch-flatsch"-Geräuch gewesen: Wir hatten tatsächlich einen platten Reifen! Mitten auf einer Schotterpiste, jedes Mal, wenn ein Auto vorbeikam wirbelte es so viel Staub auf, dass man nur noch 2 m weit sehen konnte und wir total verdreckt wurden. Wer jetzt denkt, dass eins der vorbeifahrenden Autos auch angehalten hätte, der irrt, maximal gehupt wurde - nicht, dass wir sie noch nicht bemerkt hätten - und einen Reifen sollte man doch schon allein wechseln können.
Wobei, ein Tanklastfahrer ist lobenswert hervorzuheben: Er bot seine Hilfe an (da hatten wir es aber auch schon fast selbst geschafft) und bastelte dann eine Absperrung um uns herum, so dass wir nicht überfahren werden konnten. Sehr nett. Nach 40 Minuten saßen wir dann wieder im Auto, völlig verstaubt, aber wieder mit 4 funktionierenden Reifen am Wagen. War jetzt auch gar nicht so kompliziert, auch wenn wir zum ersten Mal einen tauschen mussten.
Irgendwann kommen wir dann in Punta Arenas an, ohne weitere Zwischenfälle, aber voller Vorfreude auf unser nächstes Abenteuer: Eine Expeditionskreuzfahrt durch die Fjorde Feuerlands.